Eröffnung, Peter Liebl, Vilshofen 14.03.2008
Peter Liebl hat mich, die in ihrem beruflichen Leben viel mit Künstlern zu tun hat, die aber als Historikerin ihre große Zuneigung zur Geschichte nie verloren hat, gebeten, ein paar Worte anlässlich seiner Ausstellungseröffnung zu sagen. Peter Liebl musste also damit rechnen, dass ich mir weniger Gedanken machen würde über die kunsthistorische Einordnung seiner Arbeiten, oder seinen Stellenwert in der sogenannten Donauschule oder vielleicht sogar den Marktwert seiner Arbeiten. Das sind nicht die Themen, die mich interessieren. Mich interessierte vielmehr die Spurensuche nach dem Unerklärlichen seiner Bilder, das Schauen hinter die Schönheit, die Harmonie und das Gleichgewicht seiner Arbeiten, und mich interessierte vor allem die „Geschichtlichkeit“ des Künstlers selbst, der sich so stark mit den Traditionen der Malerei auseinandersetzt, sich dieser Traditionen bewusst ist, Verbindungen herstellt, hinterfragt, sich als Künstler nicht als autonom Agierenden, als Solitär sieht, der die Synthese zwischen Kunst, Leben und Gesellschaft nicht nur denkt, sondern sie in seinen Arbeiten zum Ausdruck kommen lässt. Lassen Sie mich zum Beispiel die Horizonte erwähnen, die Sie hier sowohl als Aquarelle wie auch als Ölbilder sehen können. Es ist beinahe so, als hätte Peter Liebl den weiten Blick über die Donau – trotz der Schändungen der Natur daselbst in den letzten Jahren – verinnerlicht. Seit 1981 arbeitet und lebt er mit seiner Frau Monika auf dem Burgberg in Donaustauf. „Ein die Seele befreiender Blick weitet sich vor den Fenstern nach drei Himmelsrichtungen über die Donauebene, die sich manchmal mit einem fast italienischen Licht auffüllt...Wir können froh sein, wenigsten den Blick zum Horizont gerettet zu haben, wo abends im Westen die farbigen Lichter der Stadt wie von einem Meeresgestade herüberflirren und im Osten im Frühdunst die vertrauten Berge des Bayerischen Waldes ihre blauen Segel spannen.“, so Peter Liebl in einem seiner Texte „Dunkle Flecken“. Die Donau spielt eine Rolle in diesem Künstlerleben. Oberflächlich zeugen die Stationen seiner Ausstellungen von dieser engen Bindung an den europäischen Strom - ob es nun Regensburg, Wien, Budapest, Linz, Bukarest gleich bei der Donaumündung, ist, aber auch Vilshofen an dieser großen Lebensader. Jenseits dieses sichtbaren Beweises der Annäherung an diesen Fluss weiß Peter Liebl, der Kulturwanderer, um die metaphorische Bedeutung dieses Stroms, der Kulturen und Zivilisationen, den Orient mit dem Okzident verbindet, Horizonte eröffnet und erweitert, besondere Farben und besonderes Licht entstehen lässt, Sehnsüchte erweckt, ein melodischer Strom, so hat Hölderlin ihn genannt – in seiner Hymne über den Ister, die Donau also, die mit den Worten beginnt:
“Jetzt komme, Feuer! Begierig sind wir zu schauen den Tag...“
- ein Anruf an die Sonne, das Licht, das Farbgebende - das Wesentliche - auch in der Malerei. Diesen europäischen Strom assoziiere ich mit dem Künstler Peter Liebl, dem kulturellen Wanderer in den Traditionen europäischer Kunst, in denen er - wie derzeit in Frankreich (und bis dato in etlichen anderen Weltgegenden) - nach dem Verbindenden in der Formensprache sucht, dem Kulturwanderer zwischen Mondrian, Monet, der russischen Ikonenmalerei, aber auch...den naiven Ölbildern seines Vaters, dem Wanderer zwischen Licht und Dunkel, dem Kulturwanderer zwischen dem Abstrakt-Objektiven und dem Gegenständlich-Subjektiven.
Seine Arbeiten irritieren: Seine Madonnenbilder oder seine Porträts zum Beispiel: Nie sind sie das, wofür man sie auf den ersten Blick hält. Es sind keine Abbilder von Menschen, - obwohl die Porträts deren Namen tragen -, keine einfach gemalten Madonnen mit Jeuskind...es sind gemalte Metaphern von Menschlichkeit genauso wie von nahezu religiöser Andacht und verhaltener Leidenschaft. Intensive Farben und immenses Licht, die Gestaltung des umgebenden Raums, der seine Figuren, seine Porträts eben diesen Raum verlassen lässt und in Dimensionen führt, die mit räumlichen Kategorien gar nicht mehr gefasst werden können, die einen zwingen zu schauen auf Menschen – der Realität entrückt, versunken in Würde, so als ob sie das Eigentliche erblicken würden – fern jeder Realität, ahnend, wissend oder beides. Diese Porträts scheinen mir aus der heutigen Zeit gefallen zu sein. Sie verkörpern ein In-sich-Ruhen, ein Innehalten, Verzögerung, Langsamkeit, Menschsein ohne jegliche Schutzschichten, gleichzeitig Öffnung und Bezugnahme zur Außenwelt, Ikonen gewissermaßen - die konkrete körperliche Gegenwart der Porträtierten spielt da kaum mehr eine Rolle. „Es muss sozusagen eine Versöhnung stattfinden zwischen dem Abstrakt-Objektiven und dem Gegenständlich-Subjektiven. Diese Synthese scheint mir in der Ikonenmalerei am deutlichsten verwirklicht. Hier sind die Gesichter nicht gemalt als uns sinnlich anschauende, vielmehr blicken sie an uns vorbei nach Innen und nach Außen.“, so Peter Liebl in seinen Aufzeichnungen.
Und da muss ich mich an das Zitat erinnern, mit dem uns Peter Liebl zur Eröffnung seiner Ausstellung hier in Vilshofen eingeladen hat, das da lautet: „Bemalt ist mein Haus und nicht leer“. Miguel Hernandez, ein spanischer Dichter und Dramaturg des 20. Jahrhunderts, der im Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner kämpfte, hat mit diesen Zeilen sein Gedicht „ Das letzte Lied“ über eben diesen Krieg eingeleitet: „Bemalt, nicht leer - bemalt ist mein Haus - bemalt mit der Farbe der großen Leidenschaften und Verhängnisse“ – eine Spiegelung des Lebens also. Es könnte ein Gedicht sein über das Haus Peter Liebls in Donaustauf – mit seinen Porträts im Eingangsbereich, seinen Farbkompositionen aus Rechtecken und Quadern in den Gängen und Treppenaufgängen, seinen Horizonten im Atelier, seinen Wolkenbildern – ein Haus, das die Leidenschaft in der Auseinandersetzung mit Kunst spiegelt, das Ringen um die passende Formensprache des Ausdrucks, ein Haus voller Freude und Melancholie, voller Licht und Farbe, voller Offenheit und Rückzug, voller Begrenzung und Weite.
Einen kleinen Teil davon können Sie nun in Vilshofen sehen. Ich wünsche dieser Ausstellung viel Erfolg, das heißt viel Publikum. „...Jeder Künstler braucht Resonanz, der Ton kann sonst nicht klingen, wenigstens e i n Liebhaber muss da sein, um das Werk entfalten zu können“, so beschreibt es Peter Liebl selbst. Zu seinen vielen Liebhabern und Liebhaberinnen, die heute gekommen sind, wünsche ich Peter Liebl nun auch hier in Vilshofen einen sehr guten Resonanzboden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Angelika Baumann