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Aktuelles

Eröffnung, Peter Liebl, Vilshofen 14.03.2008

Peter Liebl hat mich, die in ihrem beruflichen Leben viel mit Künstlern zu tun hat, die aber als Historikerin ihre große Zuneigung zur Geschichte nie verloren hat, gebeten, ein paar Worte anlässlich seiner Ausstellungseröffnung zu sagen. Peter Liebl musste also damit rechnen, dass ich mir weniger Gedanken machen würde über die kunsthistorische Einordnung seiner Arbeiten, oder seinen Stellenwert in der sogenannten Donauschule oder vielleicht sogar den Marktwert seiner Arbeiten. Das sind nicht die Themen, die mich interessieren. Mich interessierte vielmehr die Spurensuche nach dem Unerklärlichen seiner Bilder, das Schauen hinter die Schönheit, die Harmonie und das Gleichgewicht seiner Arbeiten, und mich interessierte vor allem die „Geschichtlichkeit“ des Künstlers selbst, der sich so stark mit den Traditionen der Malerei auseinandersetzt, sich dieser Traditionen bewusst ist, Verbindungen herstellt, hinterfragt, sich als Künstler nicht als autonom Agierenden, als Solitär sieht, der die Synthese zwischen Kunst, Leben und Gesellschaft nicht nur denkt, sondern sie in seinen Arbeiten zum Ausdruck kommen lässt. Lassen Sie mich zum Beispiel die Horizonte erwähnen, die Sie hier sowohl als Aquarelle wie auch als Ölbilder sehen können. Es ist beinahe so, als hätte Peter Liebl den weiten Blick über die Donau – trotz der Schändungen der Natur daselbst in den letzten Jahren – verinnerlicht. Seit 1981 arbeitet und lebt er mit seiner Frau Monika auf dem Burgberg in Donaustauf. „Ein die Seele befreiender Blick weitet sich vor den Fenstern nach drei Himmelsrichtungen über die Donauebene, die sich manchmal mit einem fast italienischen Licht auffüllt...Wir können froh sein, wenigsten den Blick zum Horizont gerettet zu haben, wo abends im Westen die farbigen Lichter der Stadt wie von einem Meeresgestade herüberflirren und im Osten im Frühdunst die vertrauten Berge des Bayerischen Waldes ihre blauen Segel spannen.“, so Peter Liebl in einem seiner Texte „Dunkle Flecken“. Die Donau spielt eine Rolle in diesem Künstlerleben. Oberflächlich zeugen die Stationen seiner Ausstellungen von dieser engen Bindung an den europäischen Strom - ob es nun Regensburg, Wien, Budapest, Linz, Bukarest gleich bei der Donaumündung, ist, aber auch Vilshofen an dieser großen Lebensader. Jenseits dieses sichtbaren Beweises der Annäherung an diesen Fluss weiß Peter Liebl, der Kulturwanderer, um die metaphorische Bedeutung dieses Stroms, der Kulturen und Zivilisationen, den Orient mit dem Okzident verbindet, Horizonte eröffnet und erweitert, besondere Farben und besonderes Licht entstehen lässt, Sehnsüchte erweckt, ein melodischer Strom, so hat Hölderlin ihn genannt – in seiner Hymne über den Ister, die Donau also, die mit den Worten beginnt:

“Jetzt komme, Feuer! Begierig sind wir zu schauen den Tag...“

- ein Anruf an die Sonne, das Licht, das Farbgebende - das Wesentliche - auch in der Malerei. Diesen europäischen Strom assoziiere ich mit dem Künstler Peter Liebl, dem kulturellen Wanderer in den Traditionen europäischer Kunst, in denen er - wie derzeit in Frankreich (und bis dato in etlichen anderen Weltgegenden) - nach dem Verbindenden in der Formensprache sucht, dem Kulturwanderer zwischen Mondrian, Monet, der russischen Ikonenmalerei, aber auch...den naiven Ölbildern seines Vaters, dem Wanderer zwischen Licht und Dunkel, dem Kulturwanderer zwischen dem Abstrakt-Objektiven und dem Gegenständlich-Subjektiven.

Seine Arbeiten irritieren: Seine Madonnenbilder oder seine Porträts zum Beispiel: Nie sind sie das, wofür man sie auf den ersten Blick hält. Es sind keine Abbilder von Menschen, - obwohl die Porträts deren Namen tragen -, keine einfach gemalten Madonnen mit Jeuskind...es sind gemalte Metaphern von Menschlichkeit genauso wie von nahezu religiöser Andacht und verhaltener Leidenschaft. Intensive Farben und immenses Licht, die Gestaltung des umgebenden Raums, der seine Figuren, seine Porträts eben diesen Raum verlassen lässt und in Dimensionen führt, die mit räumlichen Kategorien gar nicht mehr gefasst werden können, die einen zwingen zu schauen auf Menschen – der Realität entrückt, versunken in Würde, so als ob sie das Eigentliche erblicken würden – fern jeder Realität, ahnend, wissend oder beides. Diese Porträts scheinen mir aus der heutigen Zeit gefallen zu sein. Sie verkörpern ein In-sich-Ruhen, ein Innehalten, Verzögerung, Langsamkeit, Menschsein ohne jegliche Schutzschichten, gleichzeitig Öffnung und Bezugnahme zur Außenwelt, Ikonen gewissermaßen - die konkrete körperliche Gegenwart der Porträtierten spielt da kaum mehr eine Rolle. „Es muss sozusagen eine Versöhnung stattfinden zwischen dem Abstrakt-Objektiven und dem Gegenständlich-Subjektiven. Diese Synthese scheint mir in der Ikonenmalerei am deutlichsten verwirklicht. Hier sind die Gesichter nicht gemalt als uns sinnlich anschauende, vielmehr blicken sie an uns vorbei nach Innen und nach Außen.“, so Peter Liebl in seinen Aufzeichnungen.

Und da muss ich mich an das Zitat erinnern, mit dem uns Peter Liebl zur Eröffnung seiner Ausstellung hier in Vilshofen eingeladen hat, das da lautet: „Bemalt ist mein Haus und nicht leer“. Miguel Hernandez, ein spanischer Dichter und Dramaturg des 20. Jahrhunderts, der im Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner kämpfte, hat mit diesen Zeilen sein Gedicht „ Das letzte Lied“ über eben diesen Krieg eingeleitet: „Bemalt, nicht leer - bemalt ist mein Haus - bemalt mit der Farbe der großen Leidenschaften und Verhängnisse“ – eine Spiegelung des Lebens also. Es könnte ein Gedicht sein über das Haus Peter Liebls in Donaustauf – mit seinen Porträts im Eingangsbereich, seinen Farbkompositionen aus Rechtecken und Quadern in den Gängen und Treppenaufgängen, seinen Horizonten im Atelier, seinen Wolkenbildern – ein Haus, das die Leidenschaft in der Auseinandersetzung mit Kunst spiegelt, das Ringen um die passende Formensprache des Ausdrucks, ein Haus voller Freude und Melancholie, voller Licht und Farbe, voller Offenheit und Rückzug, voller Begrenzung und Weite.

Einen kleinen Teil davon können Sie nun in Vilshofen sehen. Ich wünsche dieser Ausstellung viel Erfolg, das heißt viel Publikum. „...Jeder Künstler braucht Resonanz, der Ton kann sonst nicht klingen, wenigstens e i n Liebhaber muss da sein, um das Werk entfalten zu können“, so beschreibt es Peter Liebl selbst. Zu seinen vielen Liebhabern und Liebhaberinnen, die heute gekommen sind, wünsche ich Peter Liebl nun auch hier in Vilshofen einen sehr guten Resonanzboden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Angelika Baumann

Einführung zur Ausstellungseröffnung
Peter Liebl - Bilder, Museum Moderner Kunst

...
Diese jahrhunderte-, jahrtausendealte zentrale Ikonographie - wie sie erinnert an byzantinische Darstellungen und an Ikonen, oder eben bis herauf über die Renaissance zur Barockzeit: der Mensch als Mittelpunkt. Das Bedürfnis, den Menschen darzustellen, hat ihn dazu gebracht, eine Form zu finden, wie er die Abstraktion verbinden kann mit dem Menschen.
...

(Auszug aus der Einführung am 8.Mai 2001, Katholische Hochschulgemeinde Regensburg)

„In der Augenzone“ hat der Schriftsteller Patrick Roth seinen Text für das Katalogbuch „Peter Liebl,Bilder. 1979-1999“ überschrieben: ein Prosagedicht über eine Fahrt durch den amerikanischen Westen, mit einem Foto von Peter Liebls „Indianermadonna“ als Reisegefährte. Die Augenzone ist das Energiezentrum in den figuralen Bildern des Künstlers. Unverwandt blicken Liebls Figuren ihre Betrachter an. Mit all dem sich in ihren Augen versammelnden Schrecken, der Trauer, der Empathie und der Leidenschaft scheinen sie einen oft geradezu anzuspringen. Aber gleichzeitig entzieht sich einem ihr Blick auch wieder, als würde er sich durch einen hindurch auf ein Noch-nicht-Geschautes richten. Diese Blicke scheinen sich aus einem unzugänglichen Geheimnis zu speisen,es in sich aufzubewahren.

Eben solche Blicke sind es, die auch im Diptychon „Verkündigung“ das Auge des Betrachters auf sich ziehen, es in einen ausgehaltenen Blickwechsel hineinziehen, der durch die andere Wahrnehmungshaltung, die sich mit der sakralen Umgebung verbindet, nur gewinnen kann.„Verkündigung“ ist sicher ein Bild, das erst in einem sakralen Raum den ihm eigentlich zugehörigen Rezeptionszusammenhang findet.

Man braucht den Titel des Diptychons nicht zu kennen und auch nicht durch den christlichen Sakralraum als Ort der Hängung auf eine Spur gesetzt zu werden: seine Komposition und der Ausdruck der sie beherrschenden beiden Figuren laden das Bild auf mit auratischer und spiritueller Energie, die es langsam, sich nicht erschöpfend, an seine Betrachter abstrahlt.

Mit seinem Titel „Verkündigung“ hat es der Künstler dezidiert in eine lange und reiche Traditiongestellt. Anders als bei den herkömmlichen Verkündigungs-Darstellungen sehen der Engel und Maria einander nicht an. Sie brauchen einander nicht anzusehen, um in Verbindung zu sein. Ihre Kommunikation ist eine geistige. Der dadurch frei gewordene Blick richtet sich unmittelbar, in einer geradezu bedrängenden, unausweichlichen Frontalität an den Betrachter und zieht ihn hinein indas Innere dieser Begegnung von göttlicher und menschlicher Sphäre. Die Modi dieser Begegnung werden nicht nur durch die Zeichnung der Figuren, sondern ebenso durch die Komposition und die Farbpartitur formuliert.

Nähern wir uns dem Bild über die Figuren. Maria sitzt aufrecht, in sich ruhend, würdevoll, als würde sie in ihrer Person das vom Engel verheißene Thronen des Sohnes antizipieren. Marias Augen sind keineswegs demütig niedergeschlagen, sondern blicken offen nach vorne: sehenden Auges will sie die Geschichte Gottes mit den Menschen erleben, die eben einen neuen Anfang genommen hat und in die sie jetzt zuinnerst verstrickt ist. Marias anfängliches Erschrecken, ihre durch den Engel zu zerstreuen gesuchte Furcht, von der die lukanische Verkündigungsszene spricht - sie glühen noch unter Ihren Augen nach, aber sind zugleich bereits in einer großen inneren Sammlung überwunden. Es ist der Moment nach der Verkündigung. Zu sagen gibt es nichts mehr, nachdem das Einverständnis hergestellt ist. Die über dem Schoß gekreuzten Hände sind nicht allein Ausdruck einer Haltung geduldigen Wartens oder auch der meditativen Besinnung, sie sind zugleich bergende und schützende Hände für die Frucht in ihrem Schoß, die der Künstler in dem einer Knospe gleichen Aufspringen des Gewandes als bereits anwesend markiert. Noch ist Maria von mädchenhafter Gestalt, doch mit dem Zitat von Piero della Francescas „Madonna del Parto“,der hochschwangeren Maria, wird bereits auf die Geburt des Erlösers voraus verwiesen. Die ebenerst ergangene Verheißung der Empfängnis wird so mit einem Signet Ihrer Erfüllung beglaubigt. Und aus diesem Vertrauen in die Verheißungstreue ihres Gottes gewinnt Maria ihre Gelassenheit,freilich keine heitere Gelassenheit, sondern eine ernste, um die Schwere ihrer Aufgabe wissende.Peter Liebls Maria hat kurzes, rotes Haar wie viele junge Frauen unserer Tage, sie ist keine ätherische Figur. Den etwas androgynen Zug, der sich mit ihrem Haar verbindet, würde man traditionellerweise eher dem Engel zuordnen. Doch dieser ausgesprochen feminine Engel trägt das dunkle Haar lang und offen. Erwartungen durchkreuzend ist ebenfalls das blendende Weiß von Marias Kleidung. Es läßt zum einen - der dargestellten Szene sich anschließend - an ein bräutliches Gewand denken. Aber dieses Weiß ist eigentlich auch die Farbe des Engels und die österliche Farbe der Auferstehung. Als am Ende des Markusevangeliums die Frauen in das offene Grab treten, sehen sie zur Rechten einen jungen Mann mit einem leuchtend weißen Gewandsitzen, der ihnen die Auferstehung Jesu ansagt. Über die verheißungsgewisse Ansage der Geburtweist so in der Darstellung Marias noch eine Spur weiter hinaus und tiefer hinein in das Christusgeschehen.
Der Engel steht aufrecht, gerade, wie die griechischen Kouroi, die Jünglingsstatuen. Durch die Arme, die wie in einem Bewegungsmoment eingefangen scheinen, gewinnt er zugleich etwas Feierlich-Rituelles, ja sogar Tänzerisches: Als würde er eben in elegantem Schwung die zuvor beider Übermittlung der Botschaft gebreiteten Arme wieder nach unten zusammenführen. Die Füße des Engels vermag der Bildrand nicht mehr zu fassen. Die nach unten parallel geführten Farblinien seines Gewandes könnten so bis ins Unendliche weiterlaufen. Aus dem Unendlichen ragt der Engelins Bild hinein. Das Weiß und der Schnitt des Gewandes, das seinen Oberkörper eng umschließt korrespondiert der Kleidung Marias und der ihm eingeschriebenen lichtvollen Verheißung. In harten Kontrast dagegen gesetzt ist der tief dunkelblau-rote Farbakkord des Rockes. Dieser Farbakkord kehrt in vergrößerter Form in der Übergangszone zwischen den beiden Tafeln des Diptychons wieder. Diese Übergangsszone mit ihren kräftigen vertikalen Farbbändern, die sich in konzentrischer Anordnung um die breite rote Achse legen, schafft eine starke Abschrankung zwischen der himmlischen und der irdischen Sphäre. Gleichzeitig sind diese Sphären durch das erzählte Geschehen aber auch auf unüberbietbare Weise miteinander verbunden, was sich ebenfalls farblich, in der refrainartigen Wiederaufnahme von Farben in der linken und rechten Bildhälfte jenseits der Mittelachse ausdrückt. Nachdem die Farbbänder mehrheitlich auf der Tafel Marias angeordnet sind, rückt Maria auf ihrer Tafel aus der Mitte, wogegen der Engel genau im Zentrum seiner Tafel steht. Maria ist im Zuge der ihr Leben durchkreuzenden Verkündigung dezentriert, aus der Mitte gerückt worden, aber sie hat neu ihre Mitte in sich und in der ‘Frucht ihres Leibes’ gefunden. So ist denn auch der das Bildfeld Marias und ihre Mitte durchkreuzende Balken kein dunkler, sondern ein lichter, sonnendurchglühter.
Farben schreiben eine eigene Sprache und sind in der christlichen Tradition stark semantisiert -angefangen mit den biblischen Texten bis hinein in die Liturgie. Das Rot der Mittelachse erinnert Blut und - gelesen im Horizont jener Geschichte, die mit der Verkündigung beginnt - erinnert das Opfer Jesu Christi am Kreuz. Das Kreuz ist aber auch ein Lebensbaum. Leben und Leiden schießen im Rot, im Blut zusammen. Dieses Rot wird auf dem Bild umfangen von dunklen Farben,wie von den Mächten der Finsternis. Doch diese Klammer wird nochmals überwunden durch das Licht der Bänder in österlichem Weiß. Vielleicht also kann man diese markante, mehrfach gegliederte Mittelachse lesen als abstrakte Verdichtung der Erzählung von demjenigen, der aus der im Bild erzählten Kommunikation der Sphären hervorgeht, der an beiden Sphären Anteil hat: Jesus Christus. Anders gesagt: Über die Farbakkorde ist der verheißene Erlöser bereits unsichtbar gegenwärtig gemacht.
Der Farbakkord der Mittelachse ist eingebettet in das warme, tiefe Blau eines nächtlichen Himmels und vor dessen Ewigkeit und Unendlichkeit gestellt. Am linken und rechten Rand des Diptychons wird dieses Blau nochmals umfangen und gestimmt von einem intensiven Rot, das auf seiten des Engels - in einer Referenz an Barnett Newman - durch ein dazwischen gesetztes gelbes Band mit lebensvoller Wärme aufgeladen wird.In Abschattierungen grundiert dieses durch die roten Randzonen erwärmte Blau das Feld, vor dem der Engel steht und vor dem sich hoch und weit, geradezu schmetterlingsartig seine bunt schillern-den, heiteren, so das Frohe der Botschaft aufnehmenden Flügel entfalten. Und dieses Blau grundiert ebenso den Bildraum Marias, wobei wiederum hellere, fröhlichere Farbfelder über ihn gelegt sind: Orange, Gelb und ein lichtes Grün - südliche, mediterrane, energiereiche Farben, die sich zu einer Zone lebensvollen Aufbruchs verschränken. Das in der Achse, den Spitzen und Ende der Flügel akzentuierte Maiengrün umfließt Maria: die Farbe des Lebens und als solche die Farbe des ins Leben rufenden Geistes, von dem der Engel eben zu Maria gesprochen hat und an den Maria glaubt.

aus: Mittelbayerische Zeitung vom 12.9.2006

... Peter Liebl, Jahrgang 1946, fasst beim Gang durch seine große Werkschau in der Schwandorfer Kebbelvilla seine Ästhetik so zusammen:

"Mich hat das, was nicht da war, was ich nicht hatte, schon immer mehr berührt als das unmittelbar Gegenwärtige, das, worüber man ohne weiteres verfügen kann."

Kunst in Liebls Verständnis ist das Gegenteil von Kalkül. Sie beginnt dort, wo der Verfügungswahn der Moderne endet; sie ist Traum-Terrain und Sehnsuchts-Raum.

... Wenn man sie mit profanem Blick betrachtet, dann sind Peter Liebls große "Landschafts"-Bilder der vergangenen Jahre -oft schmale Hochformate, zwei Quadrate, von einer Horizontlinie getrennt -Farbfeldarbeiten in der Tradition der großen metaphysischen Malerei der Amerikaner Ad Reinhardt und Barnett Newman. Der schweifende Blick wird da nicht zur Idylle, sondern unheimlich, befördert das Bewußtsein, das hinter jedem Bild ein weiteres lauert, dass die Welt nicht plan, reine Oberfläche,sondern dicht, "tief", unendlich geschichtet ist. Malerei bleibt nicht nur Stimmung, Atmosphäre - das auch! - sondern wird vor allem Exegese, Selbst- und Weltauslegung. Ein kommunikativer Akt, der an kein Ende kommt.

... Es geht Liebl nicht um das realistische Bildnis, ja nicht einmal um eine rasche, aufs charakteristische Detail verknappte Individualität. Die christlichen Könige des Mittelalters hatten mehrals einen Körper. Sie waren nie nur private Personen. Das gilt auch für die von Peter Liebl Porträtierten; selbst wenn er die Modelle ohne weiteres benennen kann - und das auch bis in die Bildtitel hinein tut. Sie gruppieren sich familiär um den Maler; und meinen doch nie nur den empirischen Leib; auch nicht die Psyche oder soziale Rolle, die er anzeigt.Diese Porträts wirken, gerade in ihrer Serialität, in der Wiederkehr von Perspektiven und Motiven wie Botschaften aus einem fernen, verschollenen Reich, in dem jeder von uns seine Wurzeln hat, Wenn man sie anschaut, blickt man nicht in den Spiegel, sondern hinter den Spiegel.

(aus Straubinger Tagblatt vom 24.9.2006)

Die seit etwa 2003 entstandenen "Horizonte" - Ästhetik pur, romantisch gefärbte Sehnsuchtsbilder, die auf erstaunliche Weise wiederum das exerzieren, was Peter Liebl bereits mit seinen Porträts vorführt: Grenzüberschreitungen, ...Transitmarkierungen in unerreichbare Gefilde jenseits der realen, positivistischen Welt, ...Bestandsaufnahmen verschiedenartig getönter Seelenlandschaften -emotional gefärbte Stimmungsbilder aus der Wechselwirkung von Innen und Außen.Was der Romantiker Liebl in den Horizonten in pure Farbe gießt, ist vorgeformt in den bekannten Porträtbildern. Das Unvereinbare vereinbar machen, die Figur mit der Geometrie versöhnen, die äußerliche Statuarik der Figur mit innerer Bewegtheit verbinden, die ikonenhafte Starre mit dem individuellen Bildnis vereinen. Und doch finden sich in dem Irritierenden, Befremdlichen von Liebls Porträts Elemente der Porträtmalerei alten Stils wieder. Die Figuren stehen und sitzen entrückt, fixiert im Dogma Liebl`scher Bildtradition, und doch sind sie individuell unterscheidbar. Sie alle haben den gleichen starren Blick und schauen doch den Betrachter an, geben ihm damit Gelegenheit, seine Vorstellungswelt an ihrem Geheimnis zu entzünden. Sie fügen sich in das geometrische Umfeld und treten doch isoliert daraus hervor.Gelegentlich wird die starre Frontalität gebrochen, gibt es Asymmetrien im Fall eines Kleides, tauchen Accessoires auf, ein Stuhl oder eine Trommel, die plötzlich einel eichte Perspektive, die Andeutung einer Bewegung ins Bild bringen.Und dann sind da noch die Katzen, deren Anwesenheit auf den Bildern so bedeutungsvoll ist wie in alten Märchen, sie sind die Verbindungen von einer Welt in die anderen Welten, die Peter Liebls Bilder verheißen.

Im Blick zum Horizont spiegelt sich vermutlich eine urmenschliche Erfahrung, die etwas mit Orientierung, aber auch mit Verwunderung und Sehnsucht zu tun hat.

Und so begegnen uns in Peter Liebls Horizonten mannigfache Welten: ein ins Nachtblau versinkendes Meer und ein fahler Himmel, der von einem letzten Dämmerlicht erhellt sein kann, ebenso wie von einem ersten Morgengrauen und mit einer Horizontlinie, die undeutlich zwischen Meer und Himmel verschwimmt. Dem gegenüber gestellt ein Horizont als ein messerscharfer Trennungsstrich, dann bewegte Flächen und geballte Wolken. Man erlebt eine fast gewaltvoll geladene Atmosphäre, wie man sie vor großen Gewittern oder Unwettern empfindet, ebenso wie man eine zarte luzide Fläche oder einen staubig- trockenen Sandboden wahrzunehmen glaubt.

Im Grunde aber sieht sich der Betrachter einer einsamen Welt gegenüber gestellt, und wenn es denn den Schöpfungsakt jemals gegeben hat, wie er in der Bibel beschrieben ist, dann ist man bei Liebls Horizonten versucht, sich jene göttlichen Augenblicke vorzustellen, in denen Himmel und Erde entstanden sind...

... Außenwelt und Innenwelt sind gleichermaßen vorhanden und gerade bei den Horizontbildern beantwortet sich auch die immer wieder einmal gestellte Frage, ob nun Peter Liebls Bilder gegenständlich oder abstrakt seien, sozusagen von selbst. Sie sind beides, denn sie verbinden die reale gegenständliche Welt mit der Abstraktheit der Fläche, sie vereinigen Sinnliches und Gedankliches. Diese dauernde Ambivalenz ist ein wesentliches Merkmal seines künstlerischen Schaffens und daher bewegen sich seine Horizonte in außergewöhnlicher Weise auf einem spannungsgeladenen Schwebepunkt zwischen Tradition und Innovation.

Einführung zur Ausstellung am 25.09.2003 im Caritas-Krankenhaus St. Josef Regensburg

Berichte über Ausstellungen von Peter Liebl sprechen in ihren Überschriften nicht selten von der „Provokation des direkten Blicks“ oder vom „unausweichlichen Blick“ seiner Figuren. Eben diese zwischen Irritation und Faszination oszillierende Wirkung auf den Betrachter konzentriert der Schriftsteller Patrick Roth zu einem kurzen Erzählessay über das Sehen und Angesehenwerden, das Wegsehen und Hinsehen. „In der Augenzone“, nennt er den Text.

Es tat weh, war mir geradezu peinlich, von Liebls Frauen so angesehen zu werden

heißt es eingangs,

Als hätte ich unterhalb der Augen, in den geröteten Zonen, etwas gesehen, was nicht hätte gesehen werden sollen

Während einer Autofahrt mit dem Foto eines Liebl-Bildes auf dem Beifahrersitz, einer Fahrt durch eine amerikanische Zivilisationslandschaft – Filmkulissen, Kinos, Holiday Inn und Highways:

vorbei an Jahrhunderten, die hier niemand mehr sehen will, niemand beweint

entstehen Gedanken über die klärende und lösende, über die reinigende Kraft der Tränen und die Unerschrockenheit des Sehens: Liebls Bilder kommen aus dem Trost der Augenzonen, sind Augentrost – anders als es die Frau auf den Rollerblades am Ende der knappen Erzählung Patrick Roths kommentiert:

Was, glaubst du, ist das Rote da ... unter den Augen?‘ Ich deutete auf die Tränenflecke der Frau und des Kindes. ‚Kriegsbemalung‘, sagte sie

Und darin liegt ja durchaus etwas Kämpferisches.

Lässt man sich weniger auf derlei inhaltlich-spekulative und interpretatorische Lesarten ein, bleibt festzuhalten: die Augenpartie, die Augenzone besitzt eine entscheidende kompositorische Bedeutung, bündelt sie, spiegelt sie doch – einmal kräftiger, ja pathetischer, dann wieder verhalten zurückgenommen, gedämpfter – die Farbwerte der „Umwelt“, löst sie doch koloristisch das Spektrum der geometrischen Farbklänge auf, in welche die Figuren gefügt sind.

Bei dem künstlerischen Anliegen, eine Balance von Figur und Geometrie zu erreichen, spielen die Porträtbilder der letzten Jahre eine gewichtige Rolle. Ruhigere, großflächige Formen – als Tafeln oder Farbbahnen – horizontale und vertikale Verspannungen geben dabei der porträtierten Figur einen Raum zur Entfaltung. Auch wenn man demnach keine Hintergrundsdraperien, Tapeten oder eine ausgeklügelte Lichtregie findet, die einen konkreten Innenraum profilieren sollen, mag man sich – vor allem bei den Kinderporträts – zunächst an frühere Aufnahmen in Fotoateliers erinnert fühlen: an das Statuarische der Modelle, die in erstarrter Pose auf das Blitzlicht warten, an die Accessoires, den Plüschsessel, der Halt gibt, das Spielzeug, Hund oder Katze auf Rädern, die fast beziehungslos am Boden stehen oder den Kindern in die Hand gedrückt wurden. Sieht man aber genauer hin, werden Erinnerungen und Anspielungen wach, die weiter zurück reichen in Traditionen der Porträtmalerei. Mit abwesendem Gesicht lässt da bei Goya etwa der kleine Manuel Osorio eine zahme Elster vor den im Dunklen hockenden Katzenballen vorbei stolzieren; man stößt auf ein Hündchen, eine Spielzeugkutsche oder einen Kreisel und man stößt auf die Posen und den Blick der Augen. Auch dominieren in der Geschichte der Porträtmalerei und –fotografie ungewisse Räume oder auch solche Raum-Kompositionen, die etwas Artifizielles haben, in denen die Porträtierten verankert sind. Kompositonselemente aber wie Bild oder Spiegel im Hintergrund des Raumes, aus denen zusätzlich das Porträt des Künstlers oder der Elterngruppe blickt, entdecken wir natürlich bei Peter Liebl nicht. Vielmehr hebt er vor der ruhigen Farbtafel oder der Farbbahn des Hintergrunds – Innenraum oder Außenraum? – die porträtierte Figur so hervor, dass sie für sich selbst steht – und das nicht selten mit dem Wissen schon des Erwachsenen, mit den Ahnungen schon von Verletzlichkeiten.

Menschenbilder und Kompositionen!

Das Malerstipendium der Familie Luber mit dem wochenlangen Eintauchen in die Natur und Landschaft von Kallmünz wird von Peter Liebl als „Naturtransfusion“ erfahren. In einem mühseligen und ausdauernden Prozess des Skizzierens, Zeichnens und Malens, aber auch des Reflektierens und Nachdenkens weicht die Realität von Landschaft, von Wasser und Spiegelungen im Gewässer, die Realität des Wehres oder eines Baumes abstrakten Farbfeldern und Farblinien. „Ich will nicht theoretisch recht haben, zitiert Liebl Paul Cezanne, „sondern angesichts der Natur“. Natur verliert also nicht an Wert durch Abstraktion, vielmehr wird sie zur Prä-Figuration von Farben und Formen, wenn der Malprozess zum Ziel hat, aus der „Anschauung der Natur eine tragfähige Kompositionsstruktur herauszudestillieren, die sich dann farbig gestalten lässt“.

Man wird die Kallmünzer Landschaft im Wechsel von Tageslicht und Farbklängen mit dem ununterbrochenen Rauschen des Wehres - mit der Gischt der Trennlinien zwischen zwei unterschiedlich getönten und strukturierten Wasserflächen - mit anderen Augen sehen, wenn man sie durch die Lieblschen Kompositionen und nachtdunklen Farbtöne erfährt.

Sehr einprägsam formuliert der Künstler seine Malerfahrungen – nämlich den geschilderten Weg zu zunehmender Abstraktion angesichts der naturhaften Präsenz der Dinge, wenn er in seinen Notizen aus Kallmünz, den Dokumenten seiner zeichnerischen und malerischen Annäherungen, etwa – um ein Beispiel zu nennen – zur Gestalt und Form eines Baumes meint:

Mehrmals habe ich sein Abbild übermalt, aber den ‚Verrat‘ ihn nachträglich ans Wasser zu pflanzen, hat er nicht ‚überlebt‘. Jetzt ‚ruht‘ er unbeschadet im Dunkel zwischen einem roten und blauen Streifen.

Sein Credo – vielleicht?

Wenn sich das Sehen verändert durch die immer währende Bombardierung der Medien mit Bildern und hektischen Bildschnitten, die nichts mehr transzendentieren, sondern nur noch vereinnahmen und besetzen, so muss es die Aufgabe des Künstlers sein, nach neuen Bildern zu suchen, die das Sehen verzögern und neue (verlorengehende) Dimensionen erschließen. Im Dialog mit künstlerischen und dichterischen Gesprächspartnern, Lehrmeistern und Leitfiguren in Bild, Ton und Wort sieht Peter Liebl das Bild als geistigen Raum, in dem Figur und Natur ihre Würde zurückerhalten und bewahren. Mit seinen eigenen Worten:

Eines hatte ich schon bei Piero [della Francesca] begriffen: alle große Malerei bedarf der gesteigerten Abstraktion der Farbe, des Lichtes und des Raumes. Über [zehn] Jahre hinweg malte ich ungegenständlich, viereckige Flächen dominierten, gelegentlich versuchte ich auch Portraits und Figuren. Allmählich reifte der Wunsch heran, beide Ansätze in einem Bild zueinanderzubringen. Die bis heute anhaltende Suche nach einer Verbindung zwischen der Darstellung des Menschen und der Abstraktion hatte begonnen. Besonders wichtig wurde dabei meine Liebe zur russischen Ikonenmalerei, in der abstrakte und konkrete Bildteile eine gelöste Gemeinschaft eingegangen sind und in der ich verwirklicht sehe, was unserer Zeit, die Gott aus allem zu verdrängen sucht, abgeht.

Die dem individuellen Porträt entrückten Frauenfiguren der sitzenden und stehenden Kore werden diesem Anspruch in besonderer Weise gerecht. In Erinnerung an Brancusis endlose Säule rücken die flankierenden Farbklänge der Rautensäulen die Gestalt in religiöse Dimensionen, werden sie - die Rhythmen der Rauten – doch in ihrer architektonischen Transparenz zu wuchtigen Flügeln der ins reine Weiß gehüllten Koren-Figuren.

Peter Liebl lädt ein zur genauen und aufgeschlossenen Weise des Sehens, nicht müde zu werden, die Augen zu begeistern und sich einzulassen auf seinen Versuch, die Realität von Mensch, Natur und Raum in Figur, Form, Farb- und Lichtfeldern zu abstrahieren, ihre Möglichkeiten auszuloten und in spannungsreicher Harmonie auszuwägen.

Norbert Langer

Peter Liebls Porträtbilder leben aus der spannungsreichen Harmonie zwischen der Darstellung der konkreten Figur des Menschen und den abstrakten Formen des Hintergrunds, den differenzierte Farbklänge modulieren. Nicht die Huldigung an eine auf sich selbst bezogene Geometrie von Formen und Farben ist das Ziel, vielmehr geben ruhige großflächige Klänge von Farbtafeln und Farbbahnen, aber auch bewegte, ins Unendliche weisende Rautensäulen den Figuren Halt und Freiraum. Sie scheinen vor diesem Hintergrund zu schweben, allein ausbalanciert durch das Widerspiel von farblichen Kontrasten, Wiederholungen und Abtönungen. Die gerötete Augenzone unter freier, hoher Stirn besitzt eine entscheidende kompositorische Bedeutung, bündelt sie, spiegelt sie doch – einmal kräftiger, ja pathetischer, dann wieder verhalten zurückgenommen, gedämpfter – die Farbwerte der „Umwelt“; löst sie doch koloristisch das Spektrum der geometrischen Farbfelder auf, in welche die Figuren gefügt sind. Die Kraft der Farbpartien übt auf den Betrachter die bannende, eine zwischen Irritation und Faszination oszillierende Wirkung aus.

Als Pendant zu den abstrakten Landschaften spielen die Porträtbilder die gewichtige Rolle. Die künstlerische Herausforderung – so der Künstler – gilt dabei dem Experiment, Figur und Geometrie des Raumes, das Abstrakt- Objektive und das Gegenständlich-Subjektive zu versöhnen. Auch wenn man demnach weder Hintergrundsdraperien noch eine ausgeklügelte Lichtregie findet, die einen konkreten Innenraum profilieren sollen, mag man sich – vor allem bei den Kinderporträts – zunächst an frühere Aufnahmen in Fotoateliers erinnert fühlen: an das Statuarische der Modelle, die in erstarrter Pose auf das Blitzlicht warten, an die Accessoires, den Plüschsessel, der Halt gibt, das Spielzeug, Ball oder Kreisel, Hund oder Katze auf Rädern, die fast beziehungslos am Boden stehen oder den Kindern in die Hand gedrückt wurden. Sieht man aber genauer hin, werden Erinnerungen und Anspielungen wach, die weiter zurückreichen in Traditionen der Porträtmalerei. Mit abwesendem Gesicht lässt da bei Goya etwa der kleine Manuel Osorio eine zahme Elster vor den im Dunklen hockenden Katzenballen vorbeistolzieren; man stößt auf die Spielgeräte, auf das Schoßhündchen, man stößt auf die Posen und den Blick der Augen. Auch dominieren in der Geschichte der Porträtmalerei und –fotografie ungewisse Räume oder artifizielle Raum-Inszenierungen, in denen die Porträtierten repräsentativ verankert sind.

Wenn sich das Sehen verändert durch das immer währende Bombardement der Medien mit Bildern und hektischen Bildschnitten, die nichts mehr transzendieren, sondern nur noch vereinnahmen und besetzen, mag es Aufgabe des Künstlers sein, nach neuen Bildern zu suchen, die das Sehen verzögern und verloren gehende Dimensionen neu erschließen. Im Dialog mit künstlerischen und dichterischen Gesprächspartnern, Leitfiguren in Bild, Ton und Wort sieht Peter Liebl das Bild als geistigen Raum, in dem Figur und Natur ihre Würde zurückerhalten und bewahren:

Eines hatte ich schon bei Piero [della Francesca] begriffen: alle große Malerei bedarf der gesteigerten Abstraktion der Farbe, des Lichtes und des Raumes. Über Jahre hinweg malte ich ungegenständlich, viereckige Flächen dominierten, gelegentlich versuchte ich auch Portraits und Figuren. Allmählich reifte der Wunsch heran, beide Ansätze in einem Bild zueinanderzubringen. Die bis heute anhaltende Suche nach einer Verbindung zwischen der Darstellung des Menschen und der Abstraktion hatte begonnen. Besonders wichtig wurde dabei meine Liebe zur russischen Ikonenmalerei, in der abstrakte und konkrete Bildteile eine gelöste Gemeinschaft eingegangen sind und in der ich verwirklicht sehe, was unserer Zeit, die Gott aus allem zu verdrängen sucht, abgeht.

Aus dieser grundsätzlichen Haltung wächst die lebendige Synthese zwischen Artikulationsmitteln der Moderne und Gestaltungsmitteln der Ikonenmalerei wie Flächigkeit, Frontalität, Statik, Reduktion und Vereinfachung. Meditative Ruhe und glühendes Kolorit steigern dabei die ikonische Kraft der Porträts, wenn sie sich aus der Farbbahn oder ruhigen Farbtafel des Hintergrunds als Orientierungsfläche herauslösen, so dass sie für sich selbst stehen und trotz der Anklänge das individuell geprägte Antlitz, nicht die stilisierte Ikone darstellen.

Peter Liebl hat sein bildnerisches Konzept variationsreich erprobt und ohne Ideenzwang verwirklicht. Es entfaltet sich etwa in der dem individuellen Porträt entrückten Frauenfigur der sitzenden Kore. In Erinnerung an Brancusis endlose Säule rücken die flankierenden Farbklänge der Rautensäulen die Gestalt in religiöse Dimensionen, werden die Rhythmen der Rauten doch in ihrer Architektur zu wuchtigen Flügeln der ins reine Weiß gehüllten Frauengestalt. In anderen Bildtafeln erhalten die Figuren durch stärkere farbliche Modellierung ihre körperliche Gegenwart, Direktheit und Individualität. Gerade bei den Männerporträts eröffnen Perspektive und optische Staffelung des Hintergrunds auch greifbarere Raumvorstellungen. Es zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der künstlerischen Aufgabe, den einzelnen Menschen in seinem räumlichen Kontext zu bilden, von einer sehr überlegten Beweglichkeit in Farbgebung, Komposition und im Sujet beflügelt wird.

Unter dem Motto „Riding with Mary“ hat der Schriftsteller Patrick Roth in einem Erzählessay die Bild- und Figurenkonzeption von Liebls „Indianermadonna“ (1993) in die Zivilisationslandschaft des amerikanischen Westens mit ihren verlassenen Filmkulissen, den Kinos, High- und Freeways gesetzt. Aufregend kontrastiv zur Rasanz einer Autofahrt, zu vorbeiziehenden Rollerbladers lässt er die statuarische Präsenz und intensiv glühende Koloristitik der Ikone „in der Augenzone“ hervorleuchten, um das Eigene, das Eigentliche des rätselhaften Schauens zu formulieren:

Wer sieht und wer wird gesehen?
Liebls Bilder kommen aus Augenzonen: ohne das Rätsel zu lösen.
Das Rätsel löst den Betrachter.